Scientists for Future

Ansprache von Univ.-Prof. Dr. Stephan Borrmann im Rahmen der Demonstration "Fridays4Future" am 15. März 2019 in Mainz.

Liebe Schülerinnen, liebe Schüler, liebe Demonstrierende,

in der Atmosphärenforschung und Klimaforschung ist Mainz weltweit bekannt. Denn hier bekam Paul
Crutzen 1995 den Chemie-Nobelpreis für die Erforschung der Prozesse, die die Ozonlöcher
verursachen. Diese Forschungen führten zum Montrealer Protokoll von 1989. Darin wurde
vertraglich vereinbart, die Produktion der Substanzen zu beenden, die die Ozonschicht zerstören.
Gerade erst Anfang 2019 erschien ein neuer Bericht der Wissenschaft an die Vereinten Nationen, in
dem die langsame Heilung der Ozonschicht dokumentiert wird. Von der Entdeckung des Ozonlochs
bis zu wirksamen Gegenmaßnahmen hatte es keine 20 Jahre gedauert. Diese Lösung des
Ozonlochproblems ist ein Meisterstück der Interaktion zwischen Wissenschaft, Wirtschaft und
globaler Politik. Von dergleichen können wir heute nur träumen angesichts des weltweiten „too little
too late“ der Politik. Aber das Ozonlochproblem war auch vergleichsweise „einfach“. Denn nur eine
einzige, spezielle Klasse von menschengemachten Substanzen ist für die Ozonzerstörung
verantwortlich. Diese können leicht abgeschafft werden. Das Klimawandelproblem ist demgegenüber
ungleich komplizierter. Denn es verlangt auch von jedem von uns tiefgreifende Veränderungen im
Lebensstil.
Zum Thema des Klimawandels gab es auch einen Nobelpreis für die Wissenschaft. 2007 bekam
der Weltklimarat, IPCC, das Intergovernmental Panel For Climate Change der Vereinten Nationen,
den Friedensnobelpreis. „Global warming is unequivocal“ haben die Wissenschaftler damals gesagt,
will heissen „Die globale Erwärmung ist eindeutig nachgewiesen“, unzweifelhaft. Bisher ungefähr 1
Grad in der globalen Mitteltemperatur. Heute haben 23000 Wissenschaftler aus Österreich, der
Schweiz und Deutschland die Stellungnahme „Scientists For Future“ unterschrieben. Mindestens 30
davon stehen hier unter Euch. Damit wird die Bewegung „Fridays for Future“ von den Profis in
enormem Ausmaß unterstützt. Und die klare Message an die Politik geschickt, ihr „Too little too late“
endlich zu beenden. Auch der Friedensnobelpreis für den Weltklimarat IPCC war höchste
Anerkennung –diesmal für tausende von Wissenschaftlern– für die Erforschung der Erwärmung der
unteren Erdatmosphäre. Doch diese Anerkennung evidenzbasierter Wissenschaft schwindet
zunehmend. In den sogenannten aufgeklärten Gesellschaften breitet sich immer mehr Skepsis aus.
Klimaskeptiker bis in höchste Regierungskreise negieren die gemessenen und berechneten Fakten.
Etwa so, wie Kreationisten behaupten, die Evolution habe es nie gegeben. Ich bezeichne so etwas als
mathematisch-naturwissenschaftlichen Analphabetismus. Und IHR „klimastreikenden“ Schüler solltet
deswegen alle Anstrengung unternehmen, eben nicht solche mathematisch-naturwissenschaftlichen
Analphabeten zu werden. Also lernt Mathe, Physik, Chemie, Biologie, auch Geisteswissenschaften,
Wirtschaftswissenschaften, Politikwissenschaften bis zum Anschlag. Als ich in der Schule war, haben
Mathe und Physik auch meistens genervt. Ich hätte damals aber nie gedacht, sich gut in
Wissenschaften auszukennen, könnte einmal –wie eben heute– fast schon zu politischem
Widerstand werden. Als wir Studenten waren, hier in Mainz, gingen wir auch oft zu
Demonstrationen. „Frieden schaffen ohne Waffen“ hießen die seinerzeit. Oder am 23. Oktober 1983
in Bonn, wo wir mit 500 000 Menschen gegen die Aufrüstung und den NATO Beschluss
demonstrierten. Die Grünen, die Antiatomkraft Initiativen, die Friedensbewegung wurden damals
groß und haben viel bewirkt. Also, nicht locker lassen in Eurem Einsatz für den Planeten. Wir haben
nur den einen.

Univ.-Prof. Dr. Stephan Borrmann